Nun bin ich schon eine ganze Weile hier und habe eine wirklich spezielle Zeit hier. Langsam bin ich dazu in der Lage mich allein in diesem unglaublich unüberschaubaren, scheinbar doch organisierten Chaos zu bewegen. Der Ort an dem ich lebe ist in der Mitte eines ehemaligen Slums, in dem in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele meist vierstöckige Gebäude entstanden sind. In einem dieser Gebäude lebe ich, in einem anderen befindet sich die Schule in der ich Montag bis Samstag unterrichten darf. Der Weg zwischen diesen ist etwa zweihundert meter lang, doch auf dieser kurzen Strecke habe ich es dennoch noch in den ersten Tagen geschafft mich zu verlaufen. Das liegt daran, dass das gesamte "Bebauungskonzept" dieses Ortes sehr anders ist als wir es vielleicht gewohnt sein mögen. Das heisst, das die Straßen sehr eng sind, auf einer der Seiten der schmalen Seitenstraßen läuft zumeist ein kleiner Abwasserkanal, der in den Boden eingelassen ist. Man kann sich diesen vorstellen wie die Kanäle, die einige von euch vielleicht aus Freiburg kennen, lediglich die Flüssigkeit, die darin fliesst hat wenig mit dem zu tun, was ihr aus Deutschland kennt. Diese sind, genau wie die gesamte Kanalisation hier in diesem Teil Howrahs stark mit Plastik zugemüllt, was nicht umbedingt dem schnellen Ablaufen des Wassers nach starken Regenfällen dienlich ist. Dieses Problem jedoch ist sicherlich eines, welches viel mit der Freigebigkeit zu tun hat, mit der Geschäfte hier alles in Plastiktüten einpacken. Selbst die kleinen tea shops, welche sehr süssen, doch sehr leckeren Tee produzieren haben sich teils darauf verlagert, statt der traditionellen -einmal nur zu Benutzenden- Tontassen in kleine Plastikbecher auszuschenken, welche dann meiner Beobachtung nach oftmals auf der Straße landen. Eine wunderbare Erfahrung in diesem Prozess ist es jedoch zu sehen, dass viele der Kinder welche hier in die "SHIS Howrah Bridge School" gehen, und oftmals noch keine zehn Jahre alt sind diese Umstände als unangenehm zu empfinden scheinen. Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass einige der Kinder aus einem Ort namens Liluah kommen, an dessen Seite sich ein riesiger Müllberg befindet. Dass diese Kinder nicht unter solchen Umständen groß werden müssen ist meines Erachtens extrem wichtig. Das liegt teils daran, dass einige der Projektkinder am und auf dem Müllberg spielen, arbeiten und direkt dort leben und sich somit beträchtlichen gesundheitlichen Risiken aussetzen müssen. Dies mag, genauso wie viele andere Faktoren einer der Gründe sein, aus dem einige der Projektkinder teils große Schwierigkeiten haben sich in ein geregeltes Umfeld einzufinden. Trotz dieser Allgemeinen Schwierigkeiten gibt es Momente in denen ich unsagbar glücklich bin, über das, was die Kinder der Schule auf die Beine Stellen können. So habe ich zum Beispiel heute den sogenannten Teacher's Day mit den Kindern nach längerer Vorbereitungszeit zelebrieren dürfen. Dieser Teacher's day ist ein Tag, an dem die Leistungen der Lehrer von der Schülerseite mit einem Festprogramm wertgeschätzt werden. Zu diesem Anlass hatte ich die Ehre mit den Kindern ein Tanz- und Gesangs Programm auf die Beine zu stellen. Die Kinder haben mit wunderbarer Anstrengung und der Unterstützung eines wirklich fähigen Tanzlehrers und mit meiner Anleitung Kuchen gebacken, die Räumlichkeiten dekoriert und dabei so viel Freude ausgestrahlt, dass es eine Freude war. Einige Mitglieder der uns bekannten NGO German Doctors e.V. haben uns besucht. Diese waren genauso wie ich offensichtlich gerührt von den Anstrengungen und der wirklich von Herzen zu kommen scheinenden Performance. Solche Erlebnisse machen das Leben einfach viel Schöner und Aushaltbarer hier. Leider muss ich jedoch gestehen, dass ich sowohl Familie, Freunde und vor allen Dingen jedoch meine Freundin sehr vermisse. Es gibt Momente, in denen ich mich frage ob das ganze hier Sinn macht und warum ich nicht, wie wir es direkt vor meinem Freiwilligendienst gemacht haben, mit dem Reiserad durch die Weltgeschichte fahren. Im Übrigen macht sie auch einen Freiwilligendienst, allerdings in einer Camp Hill community in Irland, Ihre Seite könnt ihr sehr gern besuchen, diese findet Ihr unter "christina-in-ireland.weebly.com". Wenn euch diese Sprünge zwischen Positiv und Negativ sehr stark vorkommen, dann mag das daran liegen, dass sie wohl sehr stark dem entsprechen, wie ich hier lebe und fühle. Es gibt jeden Tag etwas neues, doch oft sind die Tage anstrengend und lang, und so gibt es Highs und Lows, beide in eben sehr starker Form.
3 Comments
N. Hahn
9/20/2016 06:44:50 am
Lieber Linus,
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Ivonne
9/29/2016 02:08:53 pm
Lieber Linus, ich freue mich, hier ein wenig an deinem Jahr in der Ferne teilhaben zu können.
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Linus
10/1/2016 08:09:47 am
Liebe Ivonne, liebe Frau Hahn,
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